Fogo, 22.05. & 23.05.2025
“Dance, Dance, Dance”
eine private und persönliche Liebeserklärung von Sabine
Ab einem gewissen Alter im Leben denkt man ja,
schon alles irgendwo mal gesehen, gefühlt und erlebt zu haben.
Ich als coole Socke in den golden ages die viel von der Welt und insbesondere von den Kapverden kennt, gebildet, reich an Lebenserfahrung und Weisheiten, abgeklärt und salonfähig, ausdauernd und beherrscht, begeisterungsfähig und systemkonform, Kinder in die Welt gesetzt und Haus gebaut, denke selbstüberzeugt von mir, dass mich nur noch wenig im Leben spontan innerlich ergreifen lässt und emotional stark berührt.
Denkste.
Spoiler: um ehrlich zu sein, als alte Fashionista hat mich im Vorfeld zu „dem Event“ die Klamottenfrage am meisten beschäftigt. Soll ich mein Dirndl mitnehmen (ich mach mich doch nicht zum Affen), soll ich die High Heels einpacken (na ja, man will ja keine Knöchelverletzung riskieren), müssen die Wanderschuhe dabei sein (bitte nicht, bloß keine Höhenmeter), das kleine Schwarze vielleicht (das kleine Bunte hat dann das Rennen gemacht) oder vielleicht klassisch-kapverdisch nur die Jogginghose?
der Reihe nach: ein Jubiläum ist mehr als nur ein Datum im Kalender – Meilensteine verdienen Anerkennung. Die Reise von vista verde tours begann im Jahr 2005 auf Fogo. 20 Jahre später haben wir alle zusammen dort wieder einen Meilenstein geschaffen.
Soweit die Tatsache, dass sich „allemal“ auf Fogo treffen, um gebührend zu feiern. Viel mehr war aus der Einladung nicht herauszulesen, außer dass wir uns „allemal“ auf Fogo treffen.
Toll. Kann ja alles heißen.
Die Anreise nach Fogo von München via Lissabon und Santiago war voller Erwartung und doch auch Routine, ich bin nicht stationär auf den Kapverden und auch nicht stationär in München – es geht hin und her, das habe ich mir so herausgesucht.
Okay, Fixpunkt war auf jeden Fall Abholung in Praia am 22.05.2025 um 13:00h für den Flug nach Fogo.
Ehrlich, mehr wusste ich nicht zur 20-jährigen vista verde tours Geburtstagsfeier. Meine Versuche, monatelang im Vorfeld irgendwas aus irgendwem herauszukitzeln, mal indirekt zu erfragen was denn wie gefeiert wird, wer denn kommt, was geboten wird wurden ignoriert. Von allen. Das Schweigen im Walde.
Sehr mysteriös, da unsere Firmenphilosophie eigentlich transparente, offene Kommunikation beinhaltet und Informationen vollständig und zeitnah weitergegeben werden um zu wissen, was passiert. Das ist gerade in unserer Branche besonders wichtig.
Okay, meinetwegen, hatte ich halt keine Infos, bin ja flexibel und kann souverän reagieren. Wie dem auch sei, Fixpunkt, wie gesagt, Abholung um 13:00h auf dem Plateau in Praia. Da stand ich dann und wurde nicht nur abgeholt, nein, ich wurde empfangen. Selbstverständlich mit kapverdischer Verspätung die mich etwas nervös gemacht hat da ich echt dachte, ob die mich vergessen haben……?
Der Bus kam und heraussprang meine liebe Kollegin Mada, die erste lange und herzliche Umarmung des heutigen Tages, viele, viele weitere sollten folgen. Im Bus unsere Santiago Guides deren Job es ja auch ist, unter unseren Gästen Stimmung und gute Laune zu verbreiten – ehrlich, ich bin fast abgebrochen alleine auf dem Weg zum Flughafen was die Guides an Gaudi und Schulausflug-Stimmung sorgten, ich dachte an Schulzeiten von früher wo man unbeschwert auf Klassenreise ging und die Brotzeit schon nach der ersten Kurve aus dem Rucksack kramte.
Bis dann alle eigesammelt waren, der eine oder andere doch noch was vergessen hatte und wir zurückfahren mussten und die lautstarken Begrüßungen gar nicht mehr aufhörten, kamen wir am Flughafen an.
Nach fast zwei Monaten in München sah ich meine São Vicente Teamkollegen wieder – wenn ich sage wir freuen uns, dann meine ich das ehrlich und aus vollem Herzen. Unser Team ist schon etwas ganz Besonderes, in einer Branche zu arbeiten die oft mit Unwägbarkeiten wie Gästen, Flugausfällen und No Stress zu tun hat, verbindet und verschweißt.
Wieder meine Frage was wir denn machen. Wieder Schulterzucken. Die kleine ATR war voll mit vista verde Mitarbeiter:innen, praktisch von allen Inseln zusammengekommen. Ich dachte mir während des Fluges, wenn die Maschine jetzt abstürzt, kann vista verde zumachen. Mein Nebensitzer fand diese Überlegung gar nicht lustig.
Der Flughafen Fogo ist eher ein übergroßer Hangar, seltsamerweise wuselten offensichtlich nicht Flughafen Mitarbeiter mit Kamera und Drohne auf dem Rollfeld herum was ich unter „kapverdisch – nehmen wir es mal nicht so genau“ einbuchte. Besser mal nicht nachfragen, kriegst ja doch keine Antwort.
So, und dann ging es los. Ich arbeite ja schon einige viele Jahre bei vista verde. Ich bilde mir ein, ich kenne den Laden. Gut.
Weiss, wie man organisiert.
Weiss, was es bedeutet, Gruppen über die Inseln zu schicken.
Weiss, wie man Airport Assistance macht.
Weiss, dass ein Lächeln Türen öffnet.
Weiss, warum vista verde tours so gut ist.
Der Empfang auf Fogo hat ja schon mal alles Übertroffen. Ein Komitee hat uns erwartet, der rote Teppich lag aus und wir wurden zu den Kleinbussen begleitet, ein Staatsempfang ist nichts dazu im Vergleich. Bin ich Königin? Hochgerechnet an der Anzahl Hiace mussten es etwa 70 Menschen sein, die nach Profession, Geschlecht, Unterkunft, Zugehörigkeit und nicht weiter erkennbaren Merkmalen sortiert wurden.
Jeder von uns wurde ausgestattet mit verschiedenfarbigen Beuteln deren Inhalt einer Anleitung zur Schnitzeljagd ähnelten – wieder ein okay von mir, mache ja alles mit und warte ab, was passiert.
Die Fahrt ging hinauf in die Chã das Caldeiras, einem halbkreisförmigen Vulkankrater, eine der eindrucksvollsten Landschaften die ich kenne.
Wie wir es mit allen unseren Gästen machen: Fotostopps an den markanten Punkten, erste Begegnungen und meinerseits Überlegungen, wer das denn das alles sein könnte.
Gemischtes Völkchen, die mit den strammen „Wadeln“ sind wohl Guides, die mit dem sonnigen Teint wohl europäische Locals, die, die mich so nett anlachen sollte ich kennen – das große who is who erschließt sich mir noch nicht.
In der Chã das Caldeiras wurden wir auf die verschiedenen Quartiere verteilt, wohlüberlegt im Vorfeld, wer wo untergebracht wird. Mir gefällt es, mit 5 weiteren Mädels im Casa Adriano wohnen zu dürfen, kaum sind die Zimmer verteilt schon der Transfer zum Basis Camp wo wir dann alle uns treffen sollten. Aufregung und Spannung.
Wer die Chã das Caldeiras nicht kennt: eine mystische Lavalandschaft auf fast 2000Hm die vor 10 Jahren nach dem letzten Vulkanausbruch neu aufgebaut wurde – vereinzelte Häuser am Fuße des 2898m hohen Pico de Fogo, der über allen wacht.
Der Empfang im Casa David hätte kaum herzlicher sein können, alle kommen zusammen, alle begrüßen sich, alle umarmen sich, alle lachen, wir stehen Schlange, um uns gegenseitig in die Arme zu fallen vor Freude.
Ich freue mich, unsere Chefitäten wieder live zu sehen, alle beieinander ist eher die Ausnahme. Und wie sie strahlen. Heike, Simon und Kai gleichzeitig hatte ich noch nie erlebt in all meinen Jahren bei vista verde tours.
Es mag an der energiereichen Umgebung liegen, es mag an der abfallenden Spannung liegen, es mag an der puren Freude liegen, mir kommen die Tränen vor Glück.
Es sind jene kapverdischen Glückshormone, die einen überfallen, ungeahnt, ohne Ankündigung, jede Zelle meines Körpers erfassen und mich beben lassen. Wenn ich dieses Gefühl doch in Dosen einpacken könnte.
75 Menschen am Fuße des Vulkans, eine gefühlte einzige Umarmung.
Eingeladen sind, das sehe ich jetzt, praktisch alle, die zur vista verde tours Familie gehören. Angefangen von allen Teammitgliedern, allen Guides, Fuhrunternehmen, Mamas und Brüdern, Reiseleitungen, Projektpartner:innen, Weinanbauer:innen, Gruppenverantalter:innen, Servicepartner:innen - alle, einfach alle sind da.
Ich versuche meine Ergriffenheit zu überspielen und cool zu bleiben. Stehe vor der extra aufgebauten großen Bühne mitten im Nichts, der Vulkan thront über uns, Leute lachen, die Sonne geht langsam unter - ich beobachte die Szenen und sauge die Momente auf.
Mein überwältigender Gedanke ist: ich darf dabei sein. Ich bin ein Teil der vista verde family. Ehrlich, das ist Glück pur für mich.
Kurze Regieanweisung zum Verlauf des Abends, Heike eröffnet ihre Rede mit den Worten, dass sie eigentlich zu ergriffen ist, um reden zu können. Wie gut ich das verstehe.
„Für mich ist vista verde tours mehr als nur ein Produkt oder eine Dienstleistung. Es sind Geschichten, Visionen, Werte und täglicher Einsatz“ höre ich, dann bricht sie ab. Zum einen wird das Buffet aufgebaut, zum anderen sind wir alle sehr emotional und kaum fähig, stillzuhalten. 75 erwachsene Menschen die sich kaum untereinander kennen und sichtbar glücklich strahlen kenne ich sonst nur von einem Rave oder aus Filmen.
Angenehm überraschend, dass eigentlich niemand am Handy hing.
Casa David hat sich mit dem Buffet selbst übertroffen, die Getränkelogistik ist ausgetüftelt. In der Chã wird ein sehr feiner Wein angebaut, verschiedene Sorten sogar und ebenso ungewöhnlich wie die Atmosphäre in dieser unwirklichen Lavalandschaft.
Musikalisch begleiten uns Claudia und Markus durch den Abend, die beiden sind sicherlich kein wirklicher Geheimtipp mehr aus São Vicente, hochtalentierte Musiker:innen aus Leidenschaft.
Der Abend ist geprägt von nachhaltigen Begegnungen, Anekdoten, neue Menschen kennenlernen, Beobachtungen, Kurzweiligkeit, genießen und vor allem glücklich sein.
Krass, wie voll ein Tag sein kann.
Krass, wie gut und zufrieden man ins Bett gehen kann.
Es wäre nicht vista verde wenn nicht am nächsten Morgen eine Aufgabe in Teams auf uns warten würde.
Letztendlich mussten wir „nur“ alte Ölfässer bemalen. Und das den ganzen Vormittag bei 30Grad im Schatten auf 2000m Höhe mitten im Atlantik in einer abgeschiedenen Lavalandschaft jenseits vom Alltag. Okay. Der Hintergrund ist ein Ökoprojekt zur Mülltrennung um aus den Deckeln der allgegenwärtigen Einwegplastikflaschen Möbel und Gebrauchsgegenstände zu machen.
Da muss man erstmal draufkommen. Und vor allem, Farbe, Pinsel, Terpentin, Handschuhe, Skizzenblöcke, Farbschutz, die besagten Ölfässer und Schautafeln nach dort oben zu bringen und – challenge - auf den Kapverden aufzutreiben. Letztendlich ging es darum in kleinen Teams die Fässer möglichst kapverdisch zu gestalten. Hochinteressante Teambildungs-Maßnahme die, zu mindestens in meinem Team, genauso ablief, wie ich es erwartet habe. Es bilden sich sofort Alphatierchen, Bestimmer:innen, Moderator:innen, Schaulustige, Kreative und Handwerker:innen. Ich fand unsere Tonne die schönste muss ich sagen. Acerio!
Muss auch dazusagen, dass ich mich sehr schön mit „unserer“ Önologin dabei unterhalten habe, wie begeistert wir alle die Aufgabe annehmen und dass, so kennen wir unsere Leute, keiner meckert, sondern zur Tat schreitet. Egal ob künstlerisch talentiert oder nicht. Da haben wir schon wieder diese kapverdische Begeisterung für Dinge im kleinen und großen, die uns in Europa oft abhandengekommen ist. Dinge anzunehmen, wie sie sind, ohne zu meckern oder den erhobenen „ich-weiß-es-besser“ Zeigefinger zu erheben.
Das obligatorische Gruppenfoto in unseren neuen vista verde Shirts hat mich zum Lachen gebracht da es genau einen gab der nicht merkte, dass er kein Corporate Identity vista verde Shirt trägt – sowas finde ich ja schon wieder lustig. Und ja, 70 Menschen passen auf ein Foto.
Und das Foto strahlt Happiness aus. Ich mittendrin.
Die Chã präsentiert sich als Gesprächsplattform, ein Marktplatz, wir führen intensive Dialoge, wir plaudern, wir lernen uns kennen, wir nehmen uns wahr. Optimismus und Begeisterung höre ich aus unseren Gesprächen heraus. Ich bekomme Komplimente und nehme sie frei von Skepsis auch an. Memo an mich: mehr Komplimente verteilen in Zukunft.
Im Wort Zufriedenheit steckt das Wort Frieden – so empfinde ich unseren zweitägigen Happy Together Event.
In unserer agilen Welt ist es etwas ganz besonderes, Achtsamkeit, Anerkennung und Dankbarkeit miterleben und einen Teil dazu beitragen zu dürfen.
Das Wort Gnade kommt mir in diesen zwei Tagen oft in den Sinn. Und Stolz, Teil eines großartigen Teams zu sein. Dabei sein zu dürfen.
Auf der extra aufgebauten großen Bühne mitten im Nichts (ich frage wieder nicht, wie das Orga-Team das geschafft hat) spielen abends die absoluten Lokalmatadoren des Archipels, Cordas do Sol. Ein Open Air Happening vom anderen Stern, das Publikum tobt. Ein Genuss für Ohren und Augen, die Kapverdier können tanzen, tanzen, tanzen, ich werde grün vor Neid wie geschmeidig man sich bewegen kann.
Die fakultative Vulkanbesteigung am nächsten Morgen schenke ich mir, genieße stattdessen den Sonnenaufgang mit Blick auf den Vulkan beim Mädels-Talk. Wieder ergreift mich das Gefühl, willkommen zu sein und Momente erleben zu dürfen, die ich niemals vergessen werde.
“We all created unforgettable memories -
as we share them, they become even more powerful”
steht in der Feedback-Mail von Heike.
Absolut auf den Punkt gebracht.
Mir bleibt ein “Danke von Herzen” zu sagen voller Wertschätzung und Verbundenheit.
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